In diesem strukturierten Leitfaden-Interview sollen Frauen aus der ehemaligen DDR in erster und zweiter Generation befragt werden. Pro Altersgruppe sind zwei bis drei Befragungen geplant, um einen exemplarischen Eindruck zu bekommen. Alle Interviews wurden zum einen wegen der räumlichen Distanz (min. 120km Entfernung) und zum anderen pandemiebedingt am Telefon durchgeführt. Die Auswahl der Interviewpartnerinnen entsteht aus dem erweiterten Bekanntenkreis meiner Verwandtschaft. Insgesamt werden 10 Fragen gestellt, ein Interview soll zwischen 15-20 Minuten dauern.

Fragen

  1. Wie haben Sie Ihre Rolle als Frau in der DDR interpretiert?
  2. Können Sie sich an typische Situationen erinnern, die heutzutage undenkbar sind?
    – Vermissen Sie typische Muster, die es heute so nicht mehr gibt?
    – Was ist für Sie heute selbstverständlich, was bis zum Mauerfall undenkbar war?
  3. Wie sah die Wertschätzung am Arbeitsplatz/Schule aus?
  4. Wie haben Sie die Dreifachbelastung aus Beruf, Erziehung und Haushalt wahrgenommen?
  5. Hat sich das Verhältnis zwischen Mann und Frau mit der Wiedervereinigung 1989 geändert?
  6. Wurde in bestimmten Bereichen spürbar zwischen Frau und Mann differenziert? 
  7. Waren Ihnen die Unterschiede zwischen dem Rollenverhältnis von Mann und Frau aus der BRD im Verhältnis zur DDR bekannt?
  8. Wie haben Sie die Bildungschancen für Frauen in der DDR empfunden?
  9. Was kann sich die BRD von heute von der DDR abschauen, um die Rolle der Frau zu stärken?
  10. Was war für Sie die „moderne Frau“ in der DDR?
    – Wie sah die Gestaltung von eigenen Interessen aus? Gab es viele Möglichkeiten Hobbys und dergleichen auszuüben?

Auswertung

Insgesamt wurden sieben Frauen befragt, zwei Frauen, die in den 1930er Jahren geboren wurden, drei Frauen aus den 1950er Jahren und zwei Frauen aus den 1970er Jahren. Bei allen Befragungen hat sich ein ähnliches Muster abgezeichnet; zunächst waren die Interviewpartnerrinnen sehr zurückhaltend mit ihren Antworten. Ab der Hälfte des Fragebogens wurden die Antworten jedoch länger und ausführlicher.

Auf die erste Frage, wie die eigene Rolle als Frau innerhalb der DDR interpretiert wurde, kamen nur sehr kurze Antworten. Es ist anzunehmen, dass ich die die Befragten mit dieser Frage an erster Stelle überrumpelt habe. Der Konsens der Antworten war, dass „alles okay gewesen sei und dass man keine besonderen Aufgaben oder Pflichten hatte, nur weil man eine Frau war.

Frage zwei hat die ernüchternsten Antworten ergeben, die Hälfte der Befragten hat die Frage nicht richtig verstanden und abseits vom Thema geantwortet, die andere Hälfte hat gesagt, dass für sie nichts undenkbar war.

Die Frage danach, ob bestimmte Muster vermisst werden, hat ein tiefes Antwortenspektrum hinterlassen; zum einen wurde die Pünktlichkeit und Freundlichkeit hervorgehoben während auf anderer Seite der Zusammenhalt in der DDR angesprochen wurde, dabei wurde insbesondere das gute Verhältnis von Kollegen und Nachbarschaft erwähnt. 

Bei der Frage, ob etwas heute selbstverständlich ist, was bis zum Mauerfall undenkbar war, wurde vor allem die Reisefreiheit und bessere Einkaufsmöglichkeiten angesprochen. Die Nachfrage zur Presse- und Meinungsfreiheit hat interessante Unterschiede hervorgebracht. Während die Befragten bis zur 1950er Generation allesamt aussagten, dass sie die Zustände nicht optimal waren, dennoch akzeptiert werden konnten, haben die beiden Befragten aus der 1970er Generation von Angst gesprochen, sich offen zu äußern. 

Frage drei hat bei jeder Befragung die gleiche Antwort ergeben: Frauen wurden weder in der Schule noch am Arbeitsplatz benachteiligt.

Eine Befragte, 1931 geboren, die bei der Post gearbeitet hat und nur zwei weibliche Kolleginnen hatte (im Gegensatz zu über 12 männlichen Kollegen) hat gesagt, dass die Frauen jederzeit gleichwertig behandelt wurden, „außer beim Lohn vielleicht.“ Das deckt sich mit meiner Recherche, der Slogan „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ war lediglich in der Politik ein Werbemittel, jedoch fernab der Realität.

Die interessanteste Frage für mich persönlich war Frage vier: „Wie haben Sie die Dreifachbelastung aus Erziehung, Haushalt und Beruf wahrgenommen?“ Für diese Frage waren nur die Frauen, die bis in die 1950er geboren wurden, geeignet, da die übrigen zu jung waren. Die Antworten haben ergeben, dass diese enorme Belastung gar nicht wahrgenommen wurde. „Man hat das einfach so hingenommen“, „das war eben so“, „das hat alles geklappt, das war keine Belastung“ waren typische Antworten, obgleich im selben Atemzug ein 12 Stunden Arbeitstag bei der Mehrheit der Frauen angesprochen wurde. Eine Befragte (1951 geb.), die als Floristin gearbeitet hat, hat ausgesagt, dass für sie die Dreifachbelastung kein Problem gewesen sei, weil sie sich die Erziehung mit ihrem Mann geteilt hat.

Frage fünf hat sehr differenzierte Antworten ergeben, während alle Frauen ausgesagt haben, dass sich innerhalb ihrer eigenen Beziehung nichts verändert hat, meinte die Floristin, dass „90% aller Männer in ihrem erweiterten Bekanntenkreis Paschas nach der Wende geworden sind. In diesem Zusammenhang gehe ich davon aus, dass mit Pascha (=Beamtentitel aus dem osmanischen Reich) ein arrogantes und selbstverherrlichendes Verhalten gemeint wurde.

Frage sechs war erneut sehr eindeutig; keine der Frauen hat spürbare Differenzierung zwischen Mann und Frau wahrgenommen.

Frage sieben hat ebenso ein sehr deutliches Ergebnis hervorgebracht, alle Frauen waren sich im Klaren darüber, dass Frauen aus Westdeutschland in der Regel nicht gearbeitet haben. Auch die Bildungschancen haben alle Frauen als total gleichberechtigt empfunden.

Bei der neunten Frage haben alle Frauen sofort geantwortet, dass vor allem die Kinderbetreuung verstärkt werden muss. Außerdem sollte Kindern aus sozial schwachen Schichten der Zugang zu guter Schulbildung erleichtert werden. 

Die letzte Frage, die Frage nach der Modernen Frau, hat ergeben, dass alle ein Bild der Modernen Frau im Kopf hatten, jedoch keine sich zu dieser exklusiveren Gruppe dazuzählte.

Die Freizeitgestaltung war laut allen Befragten einfach möglich, ohne größere Hindernisse.