• Wie wird die DDR auf Text- und Bildebene dargestellt?

Spricht man über die Darstellung der DDR auf Text- und Bildebene, so kommen die Anschaulichkeit und die Veranschaulichung auf den ersten Plan. Sebastian Schmiedeler schreibt in seinem Buch „Wissensvermittlung in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR“: „Anschauung soll hierbei sowohl auf der Text- als auch auf der Bildebene erzeugt werden. Die Veranschaulichung wird daher einerseits als Verbildlichung des Wortes auf der Textebene und andererseits in der illustrativ zeigenden Versinnlichung desjenigen im Bild erzielt, was auf der Textebene dargestellt wird.“[1]

Veranschaulichung dient der visuellen Erziehung, die jungen Betrachter sollen dabei die unterschiedlichen Formen und Funktionen von Bildern systematisch lesen lernen. „Die Bildebene berücksichtigt verschiedene Erkenntnisstufen, die junge Betrachter erlangen können und veranschaulicht verschieden Funktionen von Illustrationen innerhalb einer gezielten Systematik der stufenweisen Entwicklung der Bildbetrachtung.“[2]

Der Unterschied zwischen der Bild-und Textebene ist auch dann relevant, wenn eine Erzählung über sich hinaus auf etwas verweist. Als Bildebene wird dann das bezeichnet, was sich ganz einfach erkennen lässt, nämlich die eigentliche Handlung: 
In „Grenzfall“ rebelliert der Schüler Peter Grimm gegen die Meinungsdiktatur in einem Staat (DDR 1982, Ost-Berlin), der einem die Luft zum Atmen nimmt.

In seinem Debüt „drüben!“ erzählt der junge Zeichner und Autor Simon Schwartz von der schwierigen Entscheidung seiner Eltern, Anfang der 1980er Jahre die DDR für immer zu verlassen.

In „Herbst der Entscheidung“ soll sich der 17-jährige Abiturient Daniel freiwillig zu drei Jahren Armeedienst verpflichten, sonst ist sein Studienwunsch hinfällig. Aber Zweifel am System in der DDR treiben ihn um, und er taucht in die Leipziger Bürgerbewegungsszene ein.

Die Textebene muss dagegen zuerst vom Leser entschlüsselt werden, denn er muss die erzählte Geschichte aus einer übergeordneten Perspektive betrachten:

Unsere Primärtexte handeln nicht nur von den Geschehnissen, die in dieser Zeit mit den Protagonisten, ihren Familien und Freunden passierten, sondern auch von dem Ende der DDR und den Beginn einer neuen Epoche. Auf den ersten Plan kommen junge Menschen und junge Familien, die an dem verrosteten System der SED verzweifeln und die Diktatur der Parteibonzen abschaffen wollen. 

Dazu kommen noch die Verhältnisse in den Familien, die manchmal dazu führen, dass die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern abgebrochen werden. Die Geschichte zeigt, dass die Vergangenheit manchmal sehr schmerzhaft sein kann und die Spuren an Leib und Seele Spuren hinterlassen können. Es ist hilfreich diese Geschichte zu kennen, um die Fehler, die gemacht wurden, nicht zu wiederholen.   
(si)

  • Wie ermöglichen die Texte Identifikationsmöglichen für unterschiedliche Generationen?

Spricht man über Identifikationsmöglichkeiten der Texte, muss sich zunächst mit der Identität befasst werden. Der Begriff „Identität“ kommt aus dem Lateinischen („idem“ = derselbe, dasselbe). Wenn wir von der Identität eines Menschen sprechen, meinen wir einerseits das, was einen Menschen im Kern ausmacht (unabhängig von der Tatsache, dass wir uns immer wieder verändern; unabhängig von der Tatsache, dass wir uns in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich verhalten können und unterschiedliche soziale Rollen einnehmen können). Wir meinen aber auch das, was uns zu einer einzigartigen Persönlichkeit macht, die sich von allen anderen Menschen unterscheidet. Identität bezieht sich also auf das, was uns zu einer individuellen Persönlichkeit macht. Identität als Begriff erscheint in vielen wissenschaftlichen Artikeln im Zusammenhang mit dem Begriff Kollektives Gedächtnis. Der Begriff des kollektiven Gedächtnisses entstand Ende der 1920er-Jahre als Vorschlag von Maurice Halbwachs. Er beschrieb das kollektive Gedächtnis, als ein auf Dauer angelegtes Gedächtnis einer Gruppe.[3] Das kollektive Gedächtnis dient als das Erinnern an verschiedene Elemente der Vergangenheit. Dadurch werden Erfahrungs- und Identitätsbildung nicht nur der Einzelpersonen, sondern auch der ganzen sozialen Gruppen, der Gesellschaft und der Kultur erzeugt. Literarische Texte sind dabei das zentrale Medium der Erinnerungsbildung und Identitätsstiftung. 

Literatur kann vielseitige erinnerungskulturelle Funktionen einnehmen. Erll unterscheidet in seinem Artikel „Literatur als Medium des kollektiven Gedächtnisses“ (2017) vier folgende Funktionen: erstens die Herausbildung von Vorstellungen über vergangene Lebenswelten (durch das Lesen von Literatur ergreift der Leser die Information/Kenntnisse über das Leben von verschiedenen Menschen, über Kulturen, Traditionen); zweitens die Vermittlung von Geschichtsbildern (es werden verschiedene Ereignisse der Geschichte dargestellt), in literarischen Texten können diese historische Ereignisse und Persönlichkeiten bildhaft und deutlich dargestellt werden, so dass die heutigen Generationen mehr davon lernen können und sich mit denen assoziieren; drittens die Aushandlung von Erinnerungskonkurrenzen, die vergessenen Erinnerungen werden wiederaufgelebt oder die Alternativerinnerungen werden wieder abgebildet; viertens die Reflexion über Prozesse und Probleme des kollektiven Gedächtnisses, das kollektive Gedächtnis braucht immer Aktualisierung und Anpassung, da nicht alle Erinnerungen dem Kollektiv angeordnet werden. 

Literatur wirkt in der Erinnerungskultur. Sie ist eine eigenständige symbolische Form der Erinnerungskultur und sie stellt eine spezifische „Weise der Welterzeugung“ bzw. der Gedächtniserzeugung dar. 
(si)

  • Inwiefern kommen hierbei comicspezifische Mittel zum Einsatz?

Als „comicspezifische“ Mittel gelten neben Sprech- und Denkblasen, der deutlichen Zurschaustellung von Emotionen und verhältnismäßig wenig Text zu den Bildern auch die Lautmalerei, Ausrufe, Silbendehnungen,- doppelungen oder auslassungen.[4]         Die Farbe in Comics dient zur Verdeutlichung von Inhalt und Emotionen, was insbesondere bei schwarz-weiß Zeichnungen berücksichtigt werden muss. Ich gehe davon aus, dass diese schlichte Farbgebung die Trostlosigkeit der DDR symbolisieren soll.          
Hyperbeln sind ebenso typische comicspezifische Mittel, die allerdings in unseren Beispielen kaum bis gar nicht zum Einsatz gekommen sind, da die autobiographischen Comics Realität wiedergeben sollen. Übertreibungen sind vermutlich eher in Science-Fiction Comics zu finden.       
Die Zeichnungen sind detailgetreu, auch die Mimik und Gestik ist „comicgetreu“; die Konturen sind deutlich gezeichnet und bringen die Emotionen stark zum Ausdruck.  
Das Comic „drüben!“ ist sehr bildlastig, weist aber dennoch eine komplexe Erzählstruktur auf. Diese wird durch zahlreiche Analepsen (=Ereignisse, die vor dem bisher Erzählten stattgefunden haben) realisiert.[5]        
Die Lautmalerei kommt in „drüben!“ kaum zum Einsatz, nur an wenigen Stellen wird dieses Stilmittel gebraucht. Die Kommunikation findet überwiegend über Sprechblasen statt, auf 104 Seiten werden insgesamt 156 Sprechblasen verwendet, wobei 8 Seiten nur mit Bildern und ohne Text arbeiten.          
(tr)


[1] Schmiedeler, S. (2017): Wissensvermittlung in der Kinder- und Jugendliteratur der DDR. S.218.

[2] Vgl. ebd. S. 225.

[3] Assmann, J. (1988): Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. S. 9-19.

[4] Führer, C. (2016): Emotionen in DDR-Geschichtscomics und Graphic Novels. S. 317.

[5] Vgl. ebd. S. 318.